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Thoreau: Ein Mythos mit vielen Gesichtern

Gandhi hat ihn gelesen, Martin Luther King auch. Ich bin Henry David Thoreau, dem US-amerikanischen Schriftsteller und Philosophen, bei meiner Cape Cod Recherche begegnet. Was ist von seinem eigenwilligen Geist hundertfünfzig Jahre nach seinem Tod in den USA noch zu spüren? Ich reise in Thoreaus Heimat Neuengland, um das herauszufinden und treffe auf Thoreau dort, wo ich ihn am wenigsten erwartet hätte. Auf einem Zeltplatz im Acadia Nationalpark. Das Rangerprogramm kündigt einen Vortrag für den heutigen Abend an. Thema des Vortrags sind Thoreaus astronomische Beobachtungen. Ein Blick in den Himmel Es ist schon dunkel als ich mich auf den Weg zur Freilichtbühne mache. Beim Näherkommen höre ich eine Stimme und Musik. Bin ich etwa zu spät? Auf der Bühne steht ein Mann und schaut stumm Richtung Publikum. Eine kernige Männerstimme spricht begleitet von Gitarrenklängen. Ich setze mich auf den erst besten freien Platz und schaue mich um. Um mich herum sehe ich Mützen, Schals und dicke Jacke
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Hinterm nächsten Hügel links

Sind wir in eine Geisterstadt geraten? Kreuz und quer fahren wir durch Gravelbourg, aber niemand ist zu sehen. Obwohl verboten, umrunden wir die Verkehrsinsel vor der Kathedrale. Aber auch das lockt niemand auf die Straße. Vor dem Lebensmittelgeschäft ebenfalls gähnende Leere. Das macht aber Sinn, denn das Geschäft ist geschlossen. Dumm nur für uns, denn hier wollten wir unsere Vorräte auffüllen. Wir betreten einen trostlosen und menschenleeren Subway. Scheinbar der einzig geöffnete Laden weit und breit. Wahllos bestelle ich etwas und setze mich an einen Tisch. Jemand betritt den Fast-Food-Laden. Ihm werden noch einige andere folgen. Es gibt also doch Menschen in Gravelbourg, was uns irgendwie beruhigt. Aber keiner von ihnen will bleiben. Alle parken nahe der Eingangstür, kommen rein, bestellen, nehmen ihr Essen und gehen wieder. Ich kann sie gut verstehen. Im Auto werfen wir einen Blick auf die Tankanzeige. Haben wir wenigstens genügend Sprit? Zum Glück ja, denn eine Tankstelle gibt

Riding Mountain National Park: Gegensätze

Der Abzweig führt auf eine Schotterpiste. Noch knapp 30 km und wir haben unser Ziel, den rustikalen Zeltplatz am Lake Audy erreicht. Rustikal heißt minimaler Komfort - Plumpsklo und kaltes Wasser - aber Natur pur. So die Theorie. Leider ist das Wasser abgestellt und unsere Wasservorräte reichen nur bis morgen. © Copyright Silke Rameken 2021 Kleine Tiere, große Tiere Jetzt gilt es keine Zeit zu verlieren. Schnell bauen wir unser Zelt auf und setzen uns wieder ins Auto, um die Bisonherde zu suchen, die uns in den Riding Mountain National Park gelockt hat. Wir fahren zur Aussichtsplattform des Geheges. Dort werden wir mit Geschrei und Gezetter begrüßt. Schwalben nisten unter dem Dach. Hektisch fliegen die kleinen Düsenjets rein und raus. Plötzlich entdecken wir einen Kojoten, der über die Weide trabt. Wir verfolgen jeden seiner Schritte, er ignoriert uns. Er bleibt stehen und schnüffelt. Dann hebt er den Kopf und lauscht. Irgendwann trabt er weiter. Mir fällt wieder ein, wieso wir eig

Ich habe noch Sand in den Schuhen

Die geraden Straßen Manitobas lullen ein. Irgendwann dämmert es mir, dass wir den Abzweig zum Highway 5 verpasst haben müssen. Ich schalte unser Navigationsgerät ein. Ja, wir sind zu weit gefahren und müssen wenden. Unser Ziel ist der Spruce Woods Provincial Park , eine Empfehlung der Touristeninformation Winnipeg . Im Park könne man Sanddünen erklimmen, hatte man uns erzählt. Es ist Vorsaison, der Campingplatz fast menschenleer und wir haben die Qual der Wahl. Wo wollen wir unser Zelt aufschlagen? Wir entscheiden uns für eine Parzelle mit Blick aufs Wasser. Unsere einzigen Nachbarn zwei Kanadagänse. ©Copyright Silke Rameken 2021 Spirit Sands und Devils Punch Bowl Die Spirit Sands seien keine Wüste, steht auf einer Hinweistafel. Es gäbe hier zu viel Feuchtigkeit. Ich sehe nur Dünen und ein paar Büsche. Es ist heiß, nur die vor uns liegende Hütte bietet Schatten und meine Schuhe sind voller Sand. Das ist also keine Wüste? Vor 15.000 Jahren war eine Fläche größer als der Regierungs

Auf den Spuren von Siedlern und Händlern

Ob die Pelikane im Red River wissen, an welch historischem Ort sie sich befinden? Wahrscheinlich nicht. Ihnen wird Lower Fort Garry , ein ehemaliger Handelsposten der Hudson's Bay Company (HBC), vollkommen egal sein. Sie lassen sich lieber an diesem sonnigen, aber kalten Maitag Richtung Winnipeg treiben. Das Steinhaus glänzt weiß im Sonnenschein. Ob die knallrote Bank davor auch historisch ist? Die Haustür steht offen und lädt zum Eintreten ein. Kaum haben wir die Schwelle überschritten, werden wir von einem jungen Mann angesprochen. John stellt sich als der hiesige Agraringenieur vor, der von HBC angestellt wurde, landwirtschaftliche Experimente vor Ort durchzuführen. ©Copyright Silke Rameken 2020 John macht mit uns eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert. Er erzählt von „seinem“ damaligen Leben als Agraringenieur, führt uns durch „sein“ Haus. Wir hören ihm interessiert zu und langsam kriecht mir die Kälte in die Knochen. John scheinen die Temperaturen nichts auszumachen. Er t

Muscheln und Granit

Die Rangerstation ist geschlossen. Mittagspause. Für uns heißt das, zwei Stunden warten, um eine Permit für den Park zu bekommen. Aber unser Frust ist nur von kurzer Dauer. Wir entdecken einen Zettel mit dem Hinweis auf die nächstgelegene Tankstelle. Dort soll es das geben, was wir begehren: eine Permit für den Whiteshell Provincial Park .  Der Name Whiteshell leitet sich von einer kleinen weißen Muschel (megis) ab. Vor Urzeiten hat ein See die gesamte Region bedeckt. Der See verschwand, doch die Muscheln sind geblieben. Noch heute findet man sie entlang der beiden Flüsse Whiteshell und Winnipeg. Am erstbesten Wanderparkplatz halten wir an und gehen los. Der schmale Pfad führt in den Wald. Die Luft ist angenehm kühl. Es geht über Stock und Stein, Mal rauf auf einen Granitrücken, Mal runter zu einem Fluss. Ich habe in den letzten Tagen so viel von Siedlern und Indianern gehört und gelesen, dass es mich nicht überraschen würde, jetzt ein York Boot oder ein Kanu zu sehen. Aber nur zwei Tr

W wie Winnipeg oder Whiteout

Meine erste Begegnung mit Winnipeg: der kalte Wind, der mir entgegen bläst als wir gegen sechs Uhr morgens den Bahnhof verlassen. Müde ziehe ich meine Kapuze tief ins Gesicht. Die majestätische Bahnhofshalle menschenleer, ein paar Autos auf der Straße, vereinzelte Fußgänger. Die Stadt muss noch wach werden, so wie wir. Ein warmes Frühstück soll nach der langen Zugfahrt unsere Lebensgeister wecken. Der nächste Coffee Shop ist unser. Am Nachbartisch sitzen drei Polizisten. Ob sie von der Nachtschicht kommen? Wenn ja, scheint es eine ruhige gewesen zu sein, alle sind bester Laune. Ich gähne in meine Kaffeetasse. Go Jets, Go Zwei Tage lassen wir uns durch die Stadt treiben. Winnipeg ist entspannt und wir sind es auch. Kein Verkehrschaos auf den Straßen, die Stadt ist sauber und hell. Okay, ganz entspannt ist Winnipeg dann doch nicht. Man ist im Eishockey-Fieber, denn die Winnipeg Jets spielen um den Einzug ins Halbfinale der Playoffs. Die unzähligen Fahnen, Leuchtreklamen und selbst g