„Du musst die Einfassung und das Paddel greifen.“ ruft mir Michael, unser Guide, mit deutlicher Betonung auf dem 'und' zu. Ich habe das Kajak zwischen meinen Beinen und starre auf den Sitz, der genau unter mir ist. Das Paddel liegt am hinteren Rand der Öffnung quer über dem Boot. Meine Hände greifen hinter meinen Rücken. Langsam lasse ich mich herab sinken bis mein Po die Einfassung berührt. Vorsichtig verlagere ich mein Gewicht auf den linken Fuß und hebe den rechten ins Boot. Schnell ziehe ich das linke Bein nach. Stolz sitze ich im Kajak. Michael nickt mir anerkennend zu. „Hey, das klappt ja super! Gleich im Wasser machst du das genauso.“ Betreten schaue ich auf den Sand vor mir und dann hinaus aufs Meer.
Zwei Monate habe ich mich erfolgreich vor einer Kajaktour gedrückt. Mal war es mir zu kalt, mal zu windig. Jetzt sitze ich am Strand von Ganges mit einem Paddel in der Hand und bin mir unsicher wie ich das verdammte Ding halten soll. Allein der Gedanke, fest verschnürt in einem Seekajak durch die Wellen zu schaukeln, macht mir Angst.
„Wir werden heute nicht die geplante Tour zum Chocolate Beach machen.“ Wieso? "Das wäre viel zu gefährlich bei dem starken Wind. Wir fahren zu einem anderen Strand und machen dort unser Picknick.“ fährt Michael fort. Was bitte heißt gefährlich? Ist das der Grund, wieso mein Mann und ich heute die beiden einzigen Teilnehmer der Tour sind? Alle anderen waren schlauer als wir? Ich schaue unseren Guide an. Er lächelt und ist tiefenentspannt.
Michael (jetzt ist mein Mann gemeint) und ich tragen unser 2er-Kajak ins Wasser. Das Einsteigen klappt ohne Probleme. Ich mache meinen Spritzschutz fest. Wir schaukeln leicht hin und her. So weit, so gut! Michael (jetzt ist unser Guide gemeint) steigt in sein Kajak und zeigt auf die Boote in der Bucht. „Wir paddeln rechts an den Jachten vorbei aus dem Hafen raus.“
Mein Mann und ich müssen synchron paddeln, damit wir vorwärts kommen. Leichter gesagt als getan. Wie stimmt man sich mit jemanden ab, der deutlich längere Arme hat als man selbst und den man nicht sehen kann? Aber nach über zehn Ehejahren bekommen wir auch das irgendwann hin. Zwei-, dreimal rempeln wir Michaels Boot. Trotzdem er ist begeistert von unserem Talent. Ich frage mich, ob das kanadischer Humor ist.
Vor uns taucht der Kopf einer Robbe auf. Sie ist zum Greifen nah. Wir sehen ihre großen dunklen Augen und die aufgeblähten Nasenlöcher. Ich bin begeistert und würde am liebsten ins Wasser springen. Neugierig schaut sie uns einige Sekunden an und taucht dann wieder ab.
Die Begegnung mit der Robbe hat mir Mut gemacht. Aber der hält nur kurz an. Zwischen den Segeljachten liegt ein Schwimmdock, auf dem ein gespenstisches Boot aufgebaut ist. Je näher wir kommen, um so unwohler fühle ich mich. Panik steigt in mir auf. Ich versuche in eine andere Richtung zu schauen, aber mein Blick hängt wie hypnotisiert an dem düsteren Teil. Paddeln, atmen, paddeln, atmen wird zu meinem Mantra.
Kaum haben wir das Dock hinter uns, nimmt der Wind zu. Das Wasser ist deutlich rauher. Bisher war das Paddeln leicht. Jetzt müssen wir uns anstrengen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Unser Guide lacht. „Ganz schön windig heute. Aber keine Sorge, auf dem Rückweg haben wir Rückenwind und werden fliegen.“ Mit dem Wind nimmt auch das Spritzwasser zu und mein Sonnenhut rutscht ständig nach hinten.
Trotz der Anspannung - entspannt geht anders - erlebe ich magische Augenblicke, wenn wir mit dem Kajak wie ein Pfeil durch das Wasser gleiten.
Irgendwann merke ich, dass meine Kräfte nachlassen. Ab und zu halte ich mein Paddel still und hoffe, dass mein Mann uns irgendwie vorwärts bringen wird. Da kommen Michaels erlösende Worte: „Dort drüben machen wir unser Picknick.“ Er zeigt auf einen Sandstrand. Wir lassen unser Kajak auf den Strand auflaufen. Ich darf als erste aussteigen. Wie beim Einsteigen: Paddeln an den hinteren Rand der Einfassung legen, abstützen, ein Bein raus, dann das andere. Das Boot schaukelt in der Brandung hin und her und wir werden nass.
Michael packt Saft und Knabbereien aus. Erschöpft lassen wir uns in den Sand fallen. Michael will wissen, was wir beruflich machen. IT-Umfeld ist unsere Antwort. „Also täglich im Büro sitzen?“ hakt er nach. Wir nicken. Das sei definitiv nichts für ihn. Mit dem Kajak auf dem Wasser sein, verbunden mit Wind und Wellen, das sei sein Ding. Ich schaue hinaus in die Bucht, sehe den blauen Himmel und frage mich, wer von uns wohl der glücklichere ist.
Auf der Rückfahrt kommen wir in den Genuss des angekündigten Rückwindes. Das Paddeln fällt deutlich leichter. Trotzdem fällt es uns schwer, bei dem wabbeligen Wellengang das Boot auf Spur zu halten. Ich versuche das Paddel entspannt zu greifen, denn ich verspüre einen leichten Schmerz an der rechten Daumenbeuge. Die Haut ist gerötet. Ich werde wohl eine Blase als Andenken mitnehmen.
Wir nähern uns dem Hafen. Ein blau-grau gefiederter Eisvogel fliegt an uns vorbei. Am Ufer hat ein Fischadlerpärchen sein Nest. Michael zeigt uns den Baum. Das Nest ist ein riesiges Gebilde aus Ästen und Zweigen. Majestätisch hockt einer der Altvögel im Baum.
Noch ein paar Paddelschläge und wir sind wieder am Kajakverleih. Im geschützten Bereich des Hafens klappt das Aussteigen deutlich besser als vorhin am Strand. Erschöpft, aber glücklich tragen wir unser Kajak an Land. Jason, der Besitzer wartet schon auf uns. Wie uns die neuen Kajaks gefallen haben, will er wissen. Was soll ich sagen, keine Ahnung? Schön sehen sie auf jeden Fall aus. Einen Monat später, nach einer Kajaktour in Deutschland, weiß ich sein neues Profikajak zu schätzen. Ob uns ein bisschen schwindelig sei? Ich nicke. Tatsächlich fühle ich leichten Seegang.
Jason holt seine Kamera und wir posieren fürs Gruppenfoto. Abends schaue ich mir das Foto auf meinem Notebook an. Mit Paddel in der Hand sehe ich ziemlich cool aus 😁
Zwei Monate habe ich mich erfolgreich vor einer Kajaktour gedrückt. Mal war es mir zu kalt, mal zu windig. Jetzt sitze ich am Strand von Ganges mit einem Paddel in der Hand und bin mir unsicher wie ich das verdammte Ding halten soll. Allein der Gedanke, fest verschnürt in einem Seekajak durch die Wellen zu schaukeln, macht mir Angst.
„Wir werden heute nicht die geplante Tour zum Chocolate Beach machen.“ Wieso? "Das wäre viel zu gefährlich bei dem starken Wind. Wir fahren zu einem anderen Strand und machen dort unser Picknick.“ fährt Michael fort. Was bitte heißt gefährlich? Ist das der Grund, wieso mein Mann und ich heute die beiden einzigen Teilnehmer der Tour sind? Alle anderen waren schlauer als wir? Ich schaue unseren Guide an. Er lächelt und ist tiefenentspannt.
Michael (jetzt ist mein Mann gemeint) und ich tragen unser 2er-Kajak ins Wasser. Das Einsteigen klappt ohne Probleme. Ich mache meinen Spritzschutz fest. Wir schaukeln leicht hin und her. So weit, so gut! Michael (jetzt ist unser Guide gemeint) steigt in sein Kajak und zeigt auf die Boote in der Bucht. „Wir paddeln rechts an den Jachten vorbei aus dem Hafen raus.“
© Copyright Silke Rameken 2021 |
Vor uns taucht der Kopf einer Robbe auf. Sie ist zum Greifen nah. Wir sehen ihre großen dunklen Augen und die aufgeblähten Nasenlöcher. Ich bin begeistert und würde am liebsten ins Wasser springen. Neugierig schaut sie uns einige Sekunden an und taucht dann wieder ab.
Die Begegnung mit der Robbe hat mir Mut gemacht. Aber der hält nur kurz an. Zwischen den Segeljachten liegt ein Schwimmdock, auf dem ein gespenstisches Boot aufgebaut ist. Je näher wir kommen, um so unwohler fühle ich mich. Panik steigt in mir auf. Ich versuche in eine andere Richtung zu schauen, aber mein Blick hängt wie hypnotisiert an dem düsteren Teil. Paddeln, atmen, paddeln, atmen wird zu meinem Mantra.
Kaum haben wir das Dock hinter uns, nimmt der Wind zu. Das Wasser ist deutlich rauher. Bisher war das Paddeln leicht. Jetzt müssen wir uns anstrengen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Unser Guide lacht. „Ganz schön windig heute. Aber keine Sorge, auf dem Rückweg haben wir Rückenwind und werden fliegen.“ Mit dem Wind nimmt auch das Spritzwasser zu und mein Sonnenhut rutscht ständig nach hinten.
Trotz der Anspannung - entspannt geht anders - erlebe ich magische Augenblicke, wenn wir mit dem Kajak wie ein Pfeil durch das Wasser gleiten.
Irgendwann merke ich, dass meine Kräfte nachlassen. Ab und zu halte ich mein Paddel still und hoffe, dass mein Mann uns irgendwie vorwärts bringen wird. Da kommen Michaels erlösende Worte: „Dort drüben machen wir unser Picknick.“ Er zeigt auf einen Sandstrand. Wir lassen unser Kajak auf den Strand auflaufen. Ich darf als erste aussteigen. Wie beim Einsteigen: Paddeln an den hinteren Rand der Einfassung legen, abstützen, ein Bein raus, dann das andere. Das Boot schaukelt in der Brandung hin und her und wir werden nass.
© Copyright Silke Rameken 2019 |
Auf der Rückfahrt kommen wir in den Genuss des angekündigten Rückwindes. Das Paddeln fällt deutlich leichter. Trotzdem fällt es uns schwer, bei dem wabbeligen Wellengang das Boot auf Spur zu halten. Ich versuche das Paddel entspannt zu greifen, denn ich verspüre einen leichten Schmerz an der rechten Daumenbeuge. Die Haut ist gerötet. Ich werde wohl eine Blase als Andenken mitnehmen.
Wir nähern uns dem Hafen. Ein blau-grau gefiederter Eisvogel fliegt an uns vorbei. Am Ufer hat ein Fischadlerpärchen sein Nest. Michael zeigt uns den Baum. Das Nest ist ein riesiges Gebilde aus Ästen und Zweigen. Majestätisch hockt einer der Altvögel im Baum.
Noch ein paar Paddelschläge und wir sind wieder am Kajakverleih. Im geschützten Bereich des Hafens klappt das Aussteigen deutlich besser als vorhin am Strand. Erschöpft, aber glücklich tragen wir unser Kajak an Land. Jason, der Besitzer wartet schon auf uns. Wie uns die neuen Kajaks gefallen haben, will er wissen. Was soll ich sagen, keine Ahnung? Schön sehen sie auf jeden Fall aus. Einen Monat später, nach einer Kajaktour in Deutschland, weiß ich sein neues Profikajak zu schätzen. Ob uns ein bisschen schwindelig sei? Ich nicke. Tatsächlich fühle ich leichten Seegang.
Jason holt seine Kamera und wir posieren fürs Gruppenfoto. Abends schaue ich mir das Foto auf meinem Notebook an. Mit Paddel in der Hand sehe ich ziemlich cool aus 😁
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