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Muscheln und Granit

Die Rangerstation ist geschlossen. Mittagspause. Für uns heißt das, zwei Stunden warten, um eine Permit für den Park zu bekommen. Aber unser Frust ist nur von kurzer Dauer. Wir entdecken einen Zettel mit dem Hinweis auf die nächstgelegene Tankstelle. Dort soll es das geben, was wir begehren: eine Permit für den Whiteshell Provincial Park
Der Name Whiteshell leitet sich von einer kleinen weißen Muschel (megis) ab. Vor Urzeiten hat ein See die gesamte Region bedeckt. Der See verschwand, doch die Muscheln sind geblieben. Noch heute findet man sie entlang der beiden Flüsse Whiteshell und Winnipeg.
Am erstbesten Wanderparkplatz halten wir an und gehen los. Der schmale Pfad führt in den Wald. Die Luft ist angenehm kühl. Es geht über Stock und Stein, Mal rauf auf einen Granitrücken, Mal runter zu einem Fluss.
Ich habe in den letzten Tagen so viel von Siedlern und Indianern gehört und gelesen, dass es mich nicht überraschen würde, jetzt ein York Boot oder ein Kanu zu sehen. Aber nur zwei Trompetenschwäne erheben sich aus dem Wasser. Zwei- oder dreimal hören wir Stimmen, sehen aber niemanden. Es scheint, wir haben den Park heute für uns ganz allein.
 
Whiteshell Provincial Park
© Copyright Silke Rameken 2020
Es ist später Nachmittag als wir die Bannock Point Petroforms erreichen. Vor uns liegt eine fußballfeldgroße Granitfläche. Ich kann nicht anders, ziehe Schuhe und Socken aus und gehe barfuß weiter. Schweigend und verunsichert bewegen wir uns zwischen den Steinen, die auf dem Boden platziert wurden. Was sie darstellen erkennen wir erst beim Näherkommen: eine Schlange, eine Schildkröte, abstrakte Figuren. Ich fühle mich von den Bäumen, die am Rand der Fläche stehen, beobachtet. In ihren Ästen hängen bunte Stoffstücke, zeremonielle Opfergaben. Ich setze mich auf den Boden. Für die First Nations ist dieser Ort ein heiliger Platz, an dem die Geister all jene lehren, die offen für ihre Botschaften sind. Welche Botschaft haben sie für uns? Es liegen noch 8000 Kilometer und sechs Wochen quer durch Kanada vor uns. Es fühlt sich gut an, diese Reise hier zu beginnen.

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Unterwegs mit dem Canadian: Warten auf ...

Die Panorama Lounge der Toronto Union Station platzt aus allen Nähten. Wer jetzt noch kommt, muss auf einer der Fensterbänke oder auf dem Boden sitzen. Zwischen all den Reisenden schwirrt ein VIA Rail Mitarbeiter umher. Er redet auf die Leute ein und verteilt kleine, gelbe Märkchen. Irgendwann steht er vor uns. Er erklärt uns etwas von rollierenden Essenszeiten, dass jeder Mal früher oder später essen gehen müsse. Fairness geht in Kanada vor, auch bei den Mahlzeiten! Das Essen scheint also gesichert zu sein. Leider weiß niemand, wann der Zug abfährt. Eigentlich hätte es gestern Abend schon losgehen sollen, aber es gab Probleme auf der Strecke, so die Information von VIA Rail. Wir stecken unsere Essensmarken ein, machen es uns in unseren Sesseln wieder bequem und warten. Es ist für mich nicht ersichtlich wieso, aber es kommt Bewegung in die Menge. Wir folgen der Masse Richtung Untergeschoss. Vor dem Aufgang zum Bahnsteig gibt es für jeden ein Lunchpaket und eine Wasserflasche. Irritier

Ich habe noch Sand in den Schuhen

Die geraden Straßen Manitobas lullen ein. Irgendwann dämmert es mir, dass wir den Abzweig zum Highway 5 verpasst haben müssen. Ich schalte unser Navigationsgerät ein. Ja, wir sind zu weit gefahren und müssen wenden. Unser Ziel ist der Spruce Woods Provincial Park , eine Empfehlung der Touristeninformation Winnipeg . Im Park könne man Sanddünen erklimmen, hatte man uns erzählt. Es ist Vorsaison, der Campingplatz fast menschenleer und wir haben die Qual der Wahl. Wo wollen wir unser Zelt aufschlagen? Wir entscheiden uns für eine Parzelle mit Blick aufs Wasser. Unsere einzigen Nachbarn zwei Kanadagänse. ©Copyright Silke Rameken 2021 Spirit Sands und Devils Punch Bowl Die Spirit Sands seien keine Wüste, steht auf einer Hinweistafel. Es gäbe hier zu viel Feuchtigkeit. Ich sehe nur Dünen und ein paar Büsche. Es ist heiß, nur die vor uns liegende Hütte bietet Schatten und meine Schuhe sind voller Sand. Das ist also keine Wüste? Vor 15.000 Jahren war eine Fläche größer als der Regierungs

Hinterm nächsten Hügel links

Sind wir in eine Geisterstadt geraten? Kreuz und quer fahren wir durch Gravelbourg, aber niemand ist zu sehen. Obwohl verboten, umrunden wir die Verkehrsinsel vor der Kathedrale. Aber auch das lockt niemand auf die Straße. Vor dem Lebensmittelgeschäft ebenfalls gähnende Leere. Das macht aber Sinn, denn das Geschäft ist geschlossen. Dumm nur für uns, denn hier wollten wir unsere Vorräte auffüllen. Wir betreten einen trostlosen und menschenleeren Subway. Scheinbar der einzig geöffnete Laden weit und breit. Wahllos bestelle ich etwas und setze mich an einen Tisch. Jemand betritt den Fast-Food-Laden. Ihm werden noch einige andere folgen. Es gibt also doch Menschen in Gravelbourg, was uns irgendwie beruhigt. Aber keiner von ihnen will bleiben. Alle parken nahe der Eingangstür, kommen rein, bestellen, nehmen ihr Essen und gehen wieder. Ich kann sie gut verstehen. Im Auto werfen wir einen Blick auf die Tankanzeige. Haben wir wenigstens genügend Sprit? Zum Glück ja, denn eine Tankstelle gibt